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Konsequenzen aus dem Urteil des VGH Kassel zur Aussetzung der Kooperation mit Ditib

Nina Heidt-Sommer (SPD), Christoph Degen (SPD), Kerstin Geis (SPD), Karin Hartmann (SPD), Turgut Yüksel (SPD) und Fraktion

Vorbemerkung:

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel hat den Antrag auf Berufung gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (AZ 6 K 1234/20 Wi) abgelehnt. Damit ist das gerichtliche Bemühen der Landesregierung und Kultusminister Lorz gescheitert, den mit der türkischen Religionsbehörde verbundenen Verein aus dem hessischen Schulunterricht zu entfernen.
Der VGH stellte in seinem Beschluss (AZ: 7 A 1802/21.Z) fest, dass das Land Hessen durch den Einrichtungsbescheid vom 17. Dezember 2012 eine Kooperationspartnerschaft mit Ditib Hessen und der Ahmadiyya-Gemeinschaft für einen bekenntnisorientierten Islamunterricht an den hessischen Schulen geschlossen hat und die Mitteilung zur Aussetzung des Bescheides vom 28. April 2020 nicht genüge, um die Vollziehung auszusetzen. Der Bescheid entfalte weiterhin "Bindungswirkung", denn er sei "nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben worden". Zudem enthalte der Bescheid selbst keine Regelungen, die das Land berechtigten, seine Vollziehung auszusetzen. Wenn das Land die Fortsetzung der Kooperation für verfassungswidrig halte, müsse es den Einrichtungsbescheid aufheben, so das Gericht.

Die Landesregierung wird ersucht, im Kulturpolitischen Ausschuss (KPA) über folgenden Gegenstand zu berichten:

I.    VGH-Urteil und Kooperation mit Ditib

1.    Dem Beschluss des VGH zufolge war das gewählte Vorgehen der Landesregierung rechtwidrig. Wie erklärt sie sich ihre Fehleinschätzung und die gerichtlichen Niederlagen?
2.    Wie bewertet sie rückblickend ihre Entscheidung, den Unterricht wegen Zweifeln an der grundsätzlichen Eignung des Kooperationspartners auszusetzen nach diesem Beschluss?
3.    Kultusminister Lorz hat mitgeteilt zu prüfen, welche Konsequenzen aus der nun gegebenen Sach- und Rechtslage zu ziehen sind und welche Handlungsoptionen bestehen. Wer nimmt diese Prüfung vor und wie lange wird eine solche Prüfung schätzungsweise dauern?
4.    Hält sie es für denkbar und sinnvoll, in Zukunft bei Kooperationen Möglichkeiten zu schaffen, diese anlassbezogen beenden zu können oder zeitlich zu befristen und dann zu evaluieren?
5.    Welche Kosten sind dem Land durch die verlorenen Gerichtsverfahren entstanden oder werden durch sie noch entstehen?
6.    Ist eine Aufhebung des Einrichtungsbescheides eine Option, die die Landesregierung in Erwägung zieht? Und wenn nein, warum nicht?
7.    Plant die Landesregierung den Widerruf des Einrichtungsbescheids und wenn ja, hat sie diesbezüglich bereits eine juristische Einschätzung eingeholt?
8.    Ist Ditib für die Landesregierung wieder ein Gesprächspartner? Wird man, wie bis vor der Aussetzung, mit dem Verein reden und nochmal „Hausaufgaben“ aufgeben oder besteht keine Hoffnung mehr auf eine Einigung?
9.    Hat sich die Einschätzung der Landesregierung im Hinblick auf das beanstandete Übermaß an Staatsabhängigkeit geändert?
10.    Geht die Landesregierung davon aus, dass im Fall der Beendigung der Kooperationsbeziehung mit Ditib das beanstandete Übermaß an Staatsabhängigkeit in gerichtlichen Verfahren eine Rolle spielen kann?
11.    Besteht oder erwächst aus dem Beschluss in irgendeiner Form ein Anspruch auf Schadensersatz auf Seiten von Ditib?

II. Formen des Religionsunterrichts

12.    Form und Wesen des Religionsunterrichts sind in den letzten Monaten Inhalt politischer Diskussionen auch durch Kabinettsmitglieder gewesen. Wie steht die Landesregierung zu der Frage, ob interkonfessionelle oder interreligiöse Kooperationen Möglichkeiten einer Neuausrichtung des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts sein können?
13.    Sieht die Landesregierung in interkonfessioneller oder interreligiöser Kooperation eine Möglichkeit, die Staatsverträge mit den Kirchen zu ändern, und einen Religionsunterricht anzubieten, bei dem die Kirchen auch in Zukunft eine Rolle spielen? Wenn nein, warum nicht?
14.    Sieht die Landesregierung in interreligiösen Kooperationen eine Möglichkeit, mit Kooperationspartnern wie Ditib zusammenzuarbeiten, ohne dass diese Partner den Religionsunterricht alleine verantworten? Wenn nein, warum nicht?
15.    Sieht die Landesregierung in interreligiösen Kooperationen eine Chance, die diverser werdenden religiösen Orientierungen abzubilden und das Vereinende zwischen den verschiedenen Religionen in den Fokus zu nehmen? Wenn nein, warum nicht?

III. Islamunterrich

16.    Bis wann plant sie den Islamunterricht unter alleiniger staatlicher Verantwortung fortzusetzen?
17.    Wie viele Schülerinnen und Schüler besuchen aktuell den Islamunterricht?
18.    Wann ist frühestens mit der Fortsetzung des islamischen Religionsunterrichts zu rechnen?
19.    Welche Rolle spielt das Urteil für Lehrkräfte, die Islamkunde unterrichten?
20.    Welche kurzfristigen Auswirkungen hat die juristische Niederlage für die Schulen, an denen Islamunterricht erteilt wird?